Kuala Lumpur: Regenzeit in Malaysia
Seit fast drei Tagen bin ich nun in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias. Meine Weltreise hat begonnen! Durch die Komplikationen und Verzögerungen, die den Weg hierher so lang gemacht haben, habe ich wirklich das Gefühl, weit gereist zu sein. Und tatsächlich bin ich um die halbe Welt gereist: Anstatt in der Winterkälte Deutschlands zu frieren, schwitze ich nun in der feucht-schwülen Luft Malaysias und anstatt auf kahle Baumkronen, blicke ich auf grüne Urwaldriesen. Ich bin fröhlich und aufgeregt und kann es kaum erwarten Kuala Lumpur zu entdecken!
Unsere Mission ist es also, vom Flughafen in die Stadt zu kommen. Während wir uns umsehen, entdecken wir mehrere Möglichkeiten: Man kann mit dem Taxi fahren, ein Uber rufen, mit dem KLIA-Express fahren, oder mit einem Bus-Shuttle in die Stadtmitte kommen.
Wir nehmen letztere Option in Anspruch: Die sogenannten Airport Coaches. Diese Busse fahren im Erdgeschoss des Flughafens und sind die günstigste Variante, um nach KL Sentral zu kommen.
Zunächst kaufen wir eine Stadtkarte in einem Souvenirshop im 5.Stock des Flughafengebäudes, damit wir uns in Kuala Lumpur orientieren können. Dann fahren wir, da da Aufzug defekt ist, mit den Rolltreppen wieder hinunter ins Erdgeschoss, wo sich die Schalter der Busgesellschaften befinden. Die Verkäufer hinter den Tresen sind engagierte Händler und rufen und winken uns herüber zu ihren Ticketschaltern, da die Konkurrenz zwischen den Busgesellschaften, die alle auf zwei Quadratmetern nebeneinander ihre Tickets verkaufen, extrem ist.
Wir folgen aber nicht gleich dem ersten Verkäufer, der uns zuwinkt, sondern erkundigen uns erst bei allen Kiosken nach dem Preis für die Fahrten, was sich als klug erweist, da die Preise der einzelnen Busgesellschaften stark variieren. Wir wählen den Anbieter mit der günstigten Fahrt für 11RM (2,30€) und gehen mit unseren Tickets auf den Busparkplatz im Untergrundparkhaus. Man kauft am Schalter ein Ticket von der Busgesellschaft, die man nehmen möchte (die meisten fahren jede halbe Stunde oder 15 Minuten) und kann dann damit in den Bus steigen, der 3 Stunden bis in die Innenstadt fährt. Die Fahrt kostet beim güstigsten Anbieter zwischen 11RM (2,30 Euro) für ein Oneway-Ticket oder 18RM (3,80 Euro) für Hin-und Rückfahrt.
Wir verladen unsere Backpacks in den Stauraum unter dem Bus und bleiben bis zur Abfahrt sicherheitshalber draußen neben dem Gepäck stehen, da wir gehört haben, dass oft ganze Backpacks aus den Kofferräumen der Busse gestohlen werden. Ich glaube zwar nicht daran, dass alle Menschen im Ausland Diebe sind, wie meine Oma vor der Reise immer wieder predigte, – auf allen meinen Reisen wurde mir nie mehr als eine Flasche Shampoo gestohlen – aber da ich in Deutschland schon das ein oder andere Mal bestohlen wurde, gehe ich davon aus, dass dieses Risiko überall existiert.
Nach drei Stunden Fahrt, die wir größtenteils schlafend verbringen, kommen wir in KL Sentral an. Vor uns liegt die große Bahnhofshalle, die gefüllt ist mit Menschen verschiedenster Nationalitäten. Es ist ein wilder Mischmasch aus Kopftuch tragenden Malaien, Indern in bunten Saris, Arabern in weißen Tuniken und Touristen aus Europa und Asien in Alltagskleidung. Über den Köpfen all dieser Leute dröhnt aus Lautsprechern die spezielle “Theme-Music” des Bahnhofes von Kuala Lumpur, die wie ein alter Handyklingelton mit einer im Ohr bleibenden zweitönigen Melodie in Endlosschleife das ganze Gebäude beschallt.
Mit den schweren Backpacks auf den Rücken und der eingängigen Melodie im Ohr, bahnen wir uns einen Weg durch die Menschenmassen und überlegen, wo wir am günstigsten etwas zu essen finden können. Wir versuchen unser Glück zunächst vor dem Bahnhof, finden aber nach ein paar Metern Fußmarsch nichts, was bezahlbar wirkt und kehren um. Es ist nun Mittag und die Luft ist unerträglich heiß und schwül. Nach kurzem Beratschlagen und Verschnaufen entscheiden wir uns schließlich zur Bukit Bintang zu fahren, wo es laut unserer City Map viele Restaurants gibt. Außerdem sind die Hostels, die ich und der andere Deutsche, der in KL bleiben will, gebucht haben, in der Nähe dieser Straße.
Wir machen uns also auf die Suche nach der richtigen Skyrail-Station und finden heraus, wie man Tickets an den Automaten kauft, deren Menus ähnlich aufgebaut sind, wie die der deutschen U-Bahn-Ticket-Automaten in Berlin. Mit einer Plastikmünze, die man über einen Sensor am Eingang streichen muss, kommen wir in die Station und steigen in einen schon recht vollen Zug, der uns zur Bukit Bintang bringen soll.
Mit den Backpacks ist es schwer, einen Platz im Gedränge zu finden und nervös denken wir an die Diebstahl-Warnschilder, die man überall an den Zugwänden sieht, während von allen Seiten die Arme und Hände von Menschen gegen unser Gepäck gepresst werden. Aber wir erreichen unser Ziel ohne Zwischenfälle und haben vom Zug aus, der auf erhöhten Schienen hoch oben über der Stadt fährt, eine tolle Aussicht auf die Straßen von Kuala Lumpur im Morgenlicht.
Die Stadt ist durchsetzt mit staubigen Baustellen, brökeligen Betonstraßen und großen bunten Werbeplakaten, aber die gigantischen Urwaldbäume, die allerorts zwischen den Wolkenkratzern wachsen, verleihen der urbanen Metropole ein lebendiges und sehr individuelles Gesicht, das einen daran erinnert, dass Kuala Lumpur mitten im Regenwald erbaut wurde.
In der Bukit Bintang angekommen, trotten wir an unzähligen Souvernishops vorbei und halten Ausschau nach Restaurants, da uns der Magen schon in den Kniekehlen hängt. Die Straße ist voller Touristen, die wohl ebenfalls den Empfehlungen der City Map gefolgt sind. Laut unserer Karte sollte sich in dieser Gegend die berühmte Streetfood-Meile von Kuala Lumpur erstrecken. Scheinbar sind wir aber zu früh hier, da außer ein paar Obsthändlern kein Streetfood-Stand zu sehen ist.
Der erste Imbiss, an dem wir vorbei kommen, stinkt aber so schlimm nach Urin und Kot, dass wir dort nicht essen mögen. Der nächste Imbiss, den wir finden, ist etwas abseits dieser Straße und liegt erhöht auf einer Terasse. Wir lassen uns dort nieder und sind froh über den kleinen Ventilator, der an der Decke hängt und etwas Luft an unsere roten, verschwitzten Gesichter bläst. Die Temperaturen liegen bei über 30°C und die Luft ist feucht wie im Regenwald. Man spürt, dass man in den Tropen ist!
Wir bestellen Salat und Curry und kühle Getränke und genießen mehr oder weniger das günstige Essen, welches leider nicht so schmackhaft ist, wie es auf den Abbildungen auf der Karte wirkte. Aber als Backpacker darf man nicht wählerisch sein und sollte die Kost fremder Länder testen, auch wenn sie nicht dem entspricht, was man gewohnt ist.
Während dem Pärchen, das rotes Curry bestellt hat, die Tränen über die Wangen laufen, weil es mehr Chilli enthält, als die thailändische Variante, die sie kannten und ich in meinem Papaya-Salat erfolglos nach Papayastückchen suche und stattdessen die Panzer toter Garnelen, die leider kein Fleisch enthalten, aus dem süß-fischigen Salat picke, kommt jedoch nicht wirklich Freude beim Essen auf. Doch da keiner der erste sein will, der aufgibt und das “Essen der Einheimischen” verschmähen will, da wir ja alle “erfahrene Traveller” sind, die auch Hühnerbeine und frittierte Heuschrecken essen würden, würgen wir im stillen Wettstreit alles herunter und spülen dann ordentlich mit süßer Cola nach. Da es unglaublich heiß ist und wir noch erschöpft sind von dem Marsch mit den schweren Backpacks auf den Rücken, beschließen wir, direkt zum Hostel des anderen Deutschen zu gehen, um dort in der Launch zusammen zu chillen, bis ich zum Check-In um 14 Uhr zu meinem eigenen Hostel kann. Es soll laut Karte direkt um die Ecke sein, gleich neben dem KFC.
Als wir nach einer halben Stunde auf und ab laufen auf allen Straßen rund um den KFC, schließlich besagten Ort im Obergeschoss eines von einer Baustelle umgebenen Gebäudes finden, sind wir völlig erschöpft und durchgeschwitzt. Der Hostelbesitzer ist nett und bietet uns allen an, dort zu duschen, obwohl nur einer von uns ein Zimmer gebucht hat und die beiden Weiterflieger nehmen dankend an. Ich habe jedoch nicht mehr genug Zeit, um zu duschen, weil ich pünklich zur Check-In Zeit bei meinem eigenen Hostel sein will. Außerdem ziehen dunkle Wolken auf und ich will vor dem Gewitter an einem Ort sein, wo ich einfach ins Bett fallen kann. Die fast schlaflose Nacht in Anakara macht sich doch langsam bemerkbar. Wir verabschieden uns, ich schnalle mir mein monströses Backpack wieder auf den Rücken, den Handgepäckrucksack wieder vorne vor die Brust und stehe erneut orientierungslos auf der Straße vor dem KFC.
Ein Donnergrollen zieht über den grauen Himmel. Auf der Karte sieht es so aus, als wäre mein Hostel gar nicht weit weg. Nur drei Straßen entfernt. Ich schaue hoch zu den finsteren Wolken und trabe los.
Mit der Karte in der Hand marschiere ich weiter die Straße hoch, welche laut Straßenschild die Bukit Bintang ist. Ich muss zum Step Inn Too Hostel, in der Jalan Pudu Lama, die um zwei Ecken sein müsste. Ich laufe vorwärts und halte Ausschau nach einer Straße, in die ich rechts abbiegen kann. Aber Ladenfront folgt auf Ladenfront und nach gefühlten tausend Metern Marsch geradeaus bricht dann der Regen los.
Regenzeit in Malaysia ist ähnlich wie Regenzeit in Japan, stelle ich fest: Es ist die meiste Zeit des Tages warm und sonnig und zwischendurch bricht dann plötzlich eine Flutwelle aus dem Himmel herab, die einen wie ein Wasserfall erschlägt, die Straße unter Wasser setzt und von heftigen Windböen begeleitet jeden Regenschirm sofort in Fetzen reißt.
Ich stelle mich vor einem Hotel unter, breite meine Regenjacke über das Backpack, das leider ohne Regenschutz kam und spanne meinen kleinen roten Schirm auf, der von einem Windstoß direkt umgeklappt wird. Ich klappe ihn wieder zu, hocke mich vor die Glasfront des Hotels und beschließe dort abzuwarten. Ich rutsche mit dem Backpack auf dem Rücken an der Wand hinunter in die Hocke, sodass der schwere Rucksack auf einer Nische in der Wand gestützt sitzt. Ich beobachte fasziniert, wie das Wasser innerhalb von Sekunden über den flachen Bordstein zu meinen Füßen klettert und beginnt meine Schuhe zu überspülen. Zeit zu gehen!
Rasch kämpfe ich mich aus der Hocke hoch, damit mein Hintern nicht baden geht, werfe einen letzten Blick auf meine Karte, bevor ich sie wassersicher verstaue und spanne erneut den Schirm auf. Ich muss einen höheren Ort finden, um das Gewitter auszusitzen. Ich wate durch hohes Wasser an einem Cafe vorbei, dessen Besitzer ungerührt beobachtet, wie die braune Flut den Boden seines Geschäftes überflutet.
Ich frage ihn auf Englisch nach dem Weg, aber er kennt weder das Hostel noch die Straße, zu der ich will. Ich laufe weiter geradeaus, bis ich an eine Autobahnbrücke komme. Ich bin mir nun sicher, dass ich hier falsch bin und kehre um. Keine der Straßennamen, die ich sehe, sind auf meiner Karte eingezeichnet. Windböen peitschen mir Wasser über den ganzen Körper, mein Schirm biegt sich und eine Speiche bricht und nur noch ein halber Schirm schützt mich nun vor den Wassermassen von oben.
Durchnässt stelle ich mich bei einer Bank unter und frage erneut nach dem Weg. Eine der Angestellten erklärt mir, dass ich bei der Autobahnbrücke doch richtig war, und nur darunter hindurch und dann rechts gehen müsse. Als der Regen nachlässt, ziehe ich im Schutz meines halben Schirmes wieder los, laufe die Straße wieder herab, unter der Autobahnbrücke hindurch und dann rechts. Der Fußweg endet hinter der Brücke, und ich muss auf der Straße laufen und bin mir nicht sicher, ob das wirklich der Weg ist, den die Angestellte meinte. Ich überquere eine Baustelle, stehe vor einem großen Haus, durchquere eine enge Gasse und komme bei einer Bushaltestelle heraus. Gerade noch rechtzeitig, als der Regen wieder richtig losbricht und erneut Wassermassen vom Himmel stürzen.
Die Bushaltestelle hat ein kleines Glasdach, das aber so schmal ist, dass der Wind den Regen trotzdem auf die Wartenden treibt. Ich halte meinen Schirm ganz selbstverständlich mit über eine kleine, alte Frau, die neben mir steht und sie ist außer sich vor Freude und Dank. Als der Regen nachlässt, frage ich sie nach dem Weg und sie erklärt mir, dass ich zurück gehen muss in die Richtung, aus der ich gekommen bin, wieder unter der Autobahnbrücke durch und in die andere Richtung. Innerlich habe ich nun den Punkt erreicht, wo ich weinen möchte.
Meine Schultern sind inzwischen blau von den Tragegurten und mein Rücken fühlt sich an, als würde er in naher Zukunft brechen. Aber Aufgeben kommt nicht in Frage! Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass man sein Ziel immer erreicht, wenn man nur stur weiter geht und oft genug nach dem Weg fragt. Wenn es darum geht, sich zu verirren, bin ich Experte! Manchmal verirre ich mich sogar mit Absicht, weil es Spaß macht, ungeplant neue Orte zu entdecken und mehr zu sehen, als nur das Ziel des Ausflugs.
Mit 15 Kilo Gepäck auf dem Rücken hält sich der Spaß jedoch in Grenzen.
Ich treibe mich selbst an, schneller zu gehen, um schneller meine Destination zu erreichen. Mit neuer Entschlossenheit kämpfe ich mich durch den Regen wieder zurück über die schlammige Baustelle, während über mir der Donner grollt und die Blitze zucken. Ich kann es kaum erwarten endlich das Backpack abzusetzen und in ein warmes Bett zu fallen!
Von der Brücke aus versuche ich mich erneut mit Hilfe der Karte zu orientieren, laut der das Hostel jedoch in der anderen Richtung sein müsste. Gegenüber von der Bushaltestelle hatte ich das Swiss Garden Hotel gesehen, welches ich laut der Karte passieren müsste, um die Straße mit meinem Hostel zu erreichen. Ratlos stehe ich unter der Brücke und schaue nach links und rechts. Soll ich der alten Frau glauben, die doch so nett war, oder der Karte, auf der die Distanzen und auch sonst alles sehr vage eingezeichnet ist? Ich frage erneut und bekomme eine dritte Richtung gewiesen. Ich beschließe, der Karte zu vertrauen und mache wieder kehrt und wate zurück durch den Baustellenmatsch.

Nach einiger Zeit erreiche ich tatsächlich die richtige Straße. Jalan Pudu Lama! Große Erleichterung und große Vorfreude auf mein Bett!
Aber: zu früh gefreut. Laut Karte sollte sich das Step Inn Too Hostel gleich am Eingang der Straße befinden. Links ist aber ein Zaun, hinter dem ein Krankenhausgelände ist und rechts nur ein privater Hof voller Müll und ein altes Gebäude mit zugenagelten Fenstern. Ich gehe die gebogene Straße weiter entlang, die gesamte lange Kurve bis zu ihrem Ende, aber kein Hostel in Sicht.
Langsam verliere ich die Nerven. Bin ich vielleicht auf einen Betrüger hereingefallen und das Hostel existiert gar nicht? Oder ist die Karte vielleicht ein Lockmittel, um ahnungslose Touristen vom Flughafen anstatt in ihre sicheren Hotels in die Arme von Verbrechern in einem abgelegenen Hinterhof zu führen?
Steckt die naive, dumme Blondine gleich am ersten Tag der Reise im Schlamassel?
Mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Suche fortzusetzen, wenn ich heute Nacht ein Dach über dem Kopf haben will. Und angesichts der Wetterlage, möchte ich das definitiv.
Ich frage auf dem Rückweg zum Beginn der Straße einen Bauarbeiter nach dem Weg und er sagt mir, dass ich am Ende der Straße noch ein Stück weiter laufen muss und dann das Hostel sehen werde. Ich kehre also, wie so oft heute, wieder um und folge, ohne große Hoffnung, dem Rat eines Fremden. – Und stoße tatsächlich auf das Hostel.
Eine mit Graffiti besprühte Wand trägt das verblichene Schild: Step Inn Too! Und die Tür ist offen. Ich zögere keine Sekunde und trete ein!
Zur Fortsetzung geht es hier ( – Link folgt bald)
Spitzen Beitrag, gefällt mir echt gut.!