Glücklich sein ist einfach – was Frankreich mich über das Leben lehrte
Was – und wie viel davon – braucht man eigentlich, um wirklich glücklich zu sein?
Diese Frage beschäftigt die meisten von uns, und basierend auf dem, was wir uns unter der Antwort auf diese Frage vorstellen, gestalten wir unseren Alltag und unsere Zukunft. Wir arbeiten hart, in der Hoffnung, dass Geld, beruflicher Erfolg, ein schöner Urlaub oder neue Klamotten uns glücklich machen werden…
Aber mit Wünschen ist es wie mit One-night-stands: Man müht sich ab, um sie zu bekommen, flirtet mit ihnen, erobert sie, verliert sich einen Moment lang in der Glückseligkeit – doch sobald man morgens aufwacht, ist der Zauber verflogen und man realisiert, dass das was man wollte, von Nahem betrachtet eigentlich gar nicht so toll ist, wie man es sich ausgemalt hatte. Und so geht man wieder auf die Suche nach etwas Neuem. Aber kann diese Suche jemals enden? Wird man jemals mit etwas so zufrieden sein, dass man sich nichts Besseres mehr vorstellen kann?
Meiner Erfahrung nach nicht. Es geht immer besser! Und das ist auch gut so.
Der Ausdruck “der Weg ist das Ziel” beschreibt eigentlich sehr treffend, wie man die Suche nach dem Glück angehen sollte: Es gibt nie ein endgültiges Ziel, das wir erreichen können, das alle unsere Probleme für immer lösen und uns für immer glücklich und zufrieden machen wird. Das wäre ja auch langweilig. Das schöne am Leben ist, dass die Herausforderungen niemals enden und dass es immer etwas Neues geben wird, nachdem es sich zu streben lohnt. Und genau das ist es, worüber man glücklich sein sollte!
So betrachtet, ist es kein Wunder, dass das Reisen viele Menschen glücklich macht. Da man nie lange verweilt, erhält man stetig neue Eindrücke und Erfahrungen und hat das Gefühl, beständig zu wachsen und neuen Input zu erhalten: Es gibt jeden Tag etwas Neues, nach dem man streben muss – meist ist es nur die nächste Mahlzeit, der Weg zu einer Sehenswürdigkeit, eine Bank wo man kurz Pause machen kann, oder der nächste Job – aber man hat beim Reisen beständig neue Ziele vor Augen und bewegt sich fühlbar vorwärts.
Eine meiner ersten Reisen war ein Campingtrip in den französischen Pyrenäen mit meiner besten Freundin. Ich war nur wenig vorbereitet auf die vielen Herausforderungen dieser Reise und war oft gleichermaßen fasziniert und geschockt von unseren temporären neuen Lebensumständen: Kochen über dem Feuer, leben ohne Strom und fließendes Wasser, urinieren in ein selbstgebuddeltes Loch im Gebüsch!?
Die Erfahrung versetzte mich mehrmals außerhalb meiner Komfortzone und zwang mich, neue Dinge auszuprobieren und meinen Mut zu finden, wenn Wildschweine nachts unser Lager besuchten, wir Schafe durch wilde Landschaften trieben und Schlangen und Spinnen uns unterwegs Gesellschaft leisteten.
Aber nach jeder neuen Herausforderung, die wir erfolgreich überwanden, fühlte ich mich stolz, stärker und lebendiger. Die Nähe zur Natur, die wundervollen Landschaften der Pyrenäen, das Überwinden der Sprachbarrieren, das Überwinden der eigenen Grenzen; das alles gab mir das Gefühl, wirklich zu existieren; Dinge zu erleben, über die es sich zu erzählen lohnt; die Hauptrolle in der Geschichte meines Lebens zu spielen, anstatt nur einer von vielen unbedeutenden Menschen in einer großen uniformen Masse zu sein.
Im Alltag kommt man sich oft unbedeutend vor, weil man jeden Tag die gleichen unbedeutenden Dinge tut, die alle anderen auch tun, und die so gut wie nie zu großen Veränderungen führen. Wir arbeiten oder studieren, treffen uns mit Freunden, erledigen den Haushalt und gönnen uns hin und wieder etwas Entertainment. Aber nichts erstaunt uns, erschreckt uns, oder fordert uns heraus. Was wir als größte Hürden empfinden, sind das soziale Zusammenleben und der Kampf um finanzielle Sicherheit und gesellschaftliche Anerkennung.
Von der Spitze eines Berges in Frankreich aus betrachtet, erscheinen diese “Nebenaspekte” des Lebens jedoch relativ unbedeutend.
Reisen hilft einem herauszufinden, was wirklich wichtig ist
Auf Reisen zu gehen hilft einem herauszufinden, welche Dinge man wirklich braucht, und was im Alltag eigentlich nur Ballast ist.
Während meiner Reisen durch Europa und Asien, die ich fast ohne Geld bestreiten musste, da Pleite sein als Student eben der Normalzustand ist, habe ich gelernt, dass es an materiellen Dingen tatsächlich extrem wenig braucht, um wirklich glücklich zu sein. Wenn man alle seine Habseligkeiten in einem Rucksack auf dem Rücken trägt, lernt man schnell sich von allem zu trennen, das es nicht wert ist, mit sich herum getragen zu werden.
Beim Reisen durch die Pyrenäen hatten wir ein Zelt, jeder einen Schlafsack und einen kleinen Rucksack (nicht mal ein richtiges Backpack) mit den nötigsten Kosmetika und ein paar Keksen und Snacks dabei. Das war alles. Wir lebten für mehrere Wochen in unserem Zelt, neben dem Wohnwagen eines Freundes, dem wir bei seiner Arbeit als Schafhirte halfen, und wir ernährten uns hauptsächlich von selbstgemachtem Schafsmilch-Joghurt und Schafsmilch-Käse, selbstgebackenem Brot und Reis oder Nudeln mit Tomaten aus dem Garten.
Aber mehr brauchte es nicht, um viele glückliche, oft sogar euphorische Momente zu verbringen. Wir brauchten kein modernes Auto, um es zu genießen, wie die Haare im Wind flatterten, während wir in der klapprigen Rostlaube besagten Landwirtes mitfuhren, bei der in jeder Kurve die Tür aufging, und wir aufpassen mussten, dass der Hund, der neben uns auf der Rückbank saß, nicht heraus fällt. Zwar kein Luxus, aber dennoch Spaß pur!
Die wunderschöne Landschaft, die an einem vorbeizischt, die Freiheit am Ende des Tages an keinem bestimmten Ziel ankommen zu müssen und die Vorfreude auf all das Unbekannte, das einen in der nahen Zukunft erwartet, machen ein solches Abenteuer zu der lebenswertesten Zeit, an die man sich später erinnern können wird!
Natürlich braucht man, um sich wohl zu fühlen, ein paar Grundlagen, die für jeden, je nachdem, was man gewohnt ist, unterschiedlich sind. Ich merkte auf dieser Reise, worauf ich verzichten kann, und auf was nicht: Für mich ist das Minimum, das ich brauche, um mich gut zu fühlen, die Möglichkeit jeden morgen zu duschen, mindestens eine ordentliche Mahlzeit am Tag und für zwischendurch ein paar Süßigkeiten und nachts eine Unterkunft, die mich zuverlässig vor Kälte und Insekten schützt.
Mehr Materielles brauche ich nicht, um glücklich zu sein. Es sind vielmehr die Menschen und die Erlebnisse des Tages, die bestimmen, wie glücklich man ist. Diese Erkenntnis hat mein Leben von da an stark beeinflusst.
Viel wichtiger als Dinge, sind nämlich Erfahrungen. Von denen bekommt man auf Reisen mehr als genug. Nicht nur Gute. Aber auch das trägt paradoxer Weise dazu bei, das Lebensgefühl zu verbessern: Man fühlt sich umso lebendiger, je mehr Herausforderungen man überwindet. Und der Kontrast zwischen guten und harten Momenten, machen einem jedes gute Gefühl um so mehr bewusst und jede harte Erfahrung wird in Retrospekt zu einer wertvollen Erfahrung, da sie einen stärker, oder zumindest klüger gemacht hat.
Es mag in dem Moment nicht lustig gewesen sein, nachts im dunklen Wald von Wildschweinen attackiert zu werden, als man sein Geschäft im Gebüsch verrichten wollte – rückblickend ist es aber ein Erlebnis, das die eigene Lebensgeschichte eindeutig interessanter und unterhaltsamer gemacht hat. Und es hat mich gelehrt, nicht mehr nachts ohne einen langen Stock und eine Taschenlampe in die Büsche zu gehen…
Der Kontrast vertieft den Eindruck
Da in den Bergen die Temperaturen zwischen Tag und Nacht stark schwanken, war es teilweise beispielsweise ziemlich hart, nach einem wunderschönen Tag, an dem man vorher bei 30 Grad noch geschwitzt hat, anschließend bei Minusgraden im feuchten Zelt zu schlafen. Selbst unter einem Haufen von allen Kleidern und Jacken, die ich dabei hatte, war mir eine Nacht lang so kalt geworden, dass ich tatsächlich dachte, ich würde erfrieren! Aber ich überlebte es, und als morgens die Sonne hinter den Bergen aufging und wir neben dem Lagerfeuer heißen Tee tranken, kam mir der Moment kostbarer denn je vor!
Trotz des Leidens in kalten Nächten und den Tagen, an denen ich mit ungewaschenen Haaren mit von Dornenranken aufgeschlitzten Knöcheln über steinige Wege bergauf wanderte, würde ich diese Momente gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen.
Es waren spezielle Erfahrungen, die mich reicher und stärker gemacht haben und die das ganze Abenteuer gerade durch den Kontrast von Leiden und Freude so viel intensiver und einprägsamer gemacht haben.
Was ich aus dieser und vieler meiner anderen Reisen gelernt habe ist, dass man fast nichts braucht, um dauerhaft glücklich zu sein, außer den Mut, sich auf eine ungewisse Zukunft einzulassen und die richtige Einstellung, um jede neue Erfahrung wertzuschätzen und auch harte Zeiten zu genießen.
Artikel: Wie man die Angst vor dem Unbekannten besiegt
Wenn man mit dem Wissen lebt, dass jeder neue Tag voller Möglichkeiten steckt; dass die Situation, in der man sich gerade befindet, nie das Ende der Geschichte ist und dass die Welt tausende Orte und Menschen für uns bereithält, die wir lieben werden, erscheint das Leben einem plötzlich so viel wertvoller und besser.
Man muss kein bestimmtes Endziel erreichen, um glücklich zu werden. Man muss nur einfach immer weiter gehen. Wenn man nicht still steht und bereit ist, sich auf Veränderung einzulassen und sich ab und zu ins Ungewisse zu wagen, dann hält die Welt so viel Glück für einen bereit, wie man (er)tragen kann!
Pingback: Reisen ist Veränderung - Wie man die Angst vor dem Unbekannten besiegt
Wonderful site! Will enjoy reading all about your adventures. Look forward to seeing you guys again sometime. Have fun. Love, Koss.